Dass ich mir in den letzten Jahren eine tragfähige Selbständigkeit als Moderator, Autor, Musiker und Speaker aufgebaut habe, gehört für mich zu den bedeutendsten Erfolgen, die meine analytische Psychotherapie hervor gebracht hat.

Auf dem Weg dahin habe ich immer wieder Unterstützung erfahren und auch staatliche Förderprogramme in Anspruch nehmen können.

Es gab nur einen Akteur, der mit Gewalt versucht hat, zu verhindern, dass ich diese Selbständigkeit angehe und mich immer wieder auf teilweise echt üble Art stigmatisiert hat und das ist der Akteur, der Menschen in schweren gesundheitlichen Krisen eigentlich dabei helfen sollte, wieder auf die Beine zu kommen, statt ihnen die Beine wegzutreten.

Die Rede ist von der Deutschen Rentenversicherung (DRV).

Nach den allgemeinen Bestimmungen in §1 des SGB IX ist es die Aufgabe der DRV, bei Menschen, die zu Leistungen zur Teilhabe berechtigt sind, die „Selbstbestimmung und ihre volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern“.

In §4, Abs. 1 wird dies dann weiter spezifiziert. Menschen soll „die Teilhabe am Arbeitsleben entsprechend den Neigungen und Fähigkeiten“ dauerhaft ermöglicht werden (Satz 3). Außerdem sei es das Ziel, „die persönliche Entwicklung ganzheitlich zu fördern und die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sowie eine möglichst selbständige und selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen oder zu erleichtern“ (Satz 4).

Die für mich zuständige DRV interessierte sich aber weder für meine „Neigungen und Fähigkeiten“ und „Selbständigkeit“ oder gar „Selbstbestimmung“ waren vom ersten Moment an eher Fremdworte in der Kommunikation mit der Rentenversicherung. Stattdessen wurde von oben herab über meinen Gesundheitszustand befunden, ohne dass einer meiner Ärzte oder Therapeuten oder gar ich selbst angehört worden wäre. Es wurden berufliche Ziele vorgeschlagen, die weiter von meinen Neigungen und Fähigkeiten gar nicht hätten entfernt sein können. Mir wurde beständig gesagt, dass das, was ich mir selbst wünschen würde, mich krank machen würde (was ich komplett anders sehe). Und als ob all das nicht ausreichen würde, wurde mir aufgrund meiner psychischen Vorgeschichte in offiziellen Briefen sogar ein daraus folgendes „lebenslanges soziales Kompetenzdefizit“ unterstellt – in einer Zeit, in der öffentlich dafür gekämpft wird, die Stigmatisierung von Menschen mit Depressionen gefälligst zu unterlassen.

Die Auseinandersetzung mit der DRV hat mich immer wieder an die Auseinandersetzung(en) mit meinen Eltern erinnert: da ist jemand, der mir helfen sollte. Aber er tut genau das Gegenteil. Er entscheidet über meinen Kopf hinweg, ohne eine nachvollziehbare Begründung, obwohl er von meiner Seite seitenlange schlüssige Begründungen für den von mir gewünschten Weg bekommt. Meine Begründungen aber werden erst gar nicht angehört. Sie werden einfach ignoriert. Und ich kann mich dagegen nicht zur Wehr setzen. Ich fühle mich machtlos.

Ich habe mich dennoch durchgekämpft und irgendwie: Recht behalten. Denn heute bin ich seit über vier Jahren in einer tragfähigen Selbständigkeit. Ab Juli 2025 werde ich selbst der beständigste Arbeitgeber sein, den ich je in meinem Leben hatte. Es ist ein Job, in dem ich Wertschätzung erfahre, gutes Geld verdiene, mit meinen Stärken arbeite, meinen Neigungen und Fähigkeiten vollständig nachkomme, selbstbestimmt handele und selbständig arbeite. Es ist genau das, was die DRV laut dem SGB IX eigentlich fördern sollte. Es ist aber eben auch genau das, was sie mit Gewalt zu verhindern versucht hat. Ich habe mich damit nicht abgefunden und bin meinen Weg gegen alle Widerstände gegangen und habe damit heute Erfolg. Reichlich.

Obwohl ich auf viele Ressourcen nicht zugreifen konnte, die sicherlich auf dem Weg dahin hilfreich gewesen wären. Obwohl ich vieles von dem, was die DRV an Unterstützung hätte liefern sollen, selbst erwirtschaften und bereitstellen musste. Obwohl mich die Aussagen und Aktionen der DRV psychisch teilweise so enorm belastet haben, dass ich mit auch nur einem Hauch weniger Stabilität wahrscheinlich einfach erneut zerbrochen wäre.

Ich habe gegen die Entscheidung(en) der DRV wieder und wieder Widerspruch eingelegt und diesen mehrseitig begründet – logisch und faktisch, aber auch emotional. Ich habe schlussendlich und folgerichtig Klage vor dem Sozialgericht erhoben. Und dieses Verfahren letztlich aufgrund einer Entscheidung meinerseits verloren, die im Angesicht all dessen, worüber man im Rahmen dieses Verfahrens eigentlich mal hätte sprechen müssen, einfach nur absurd und traurig ist. Es war eine Entscheidung, die ich damals aber aus gutem Grund so getroffen habe. Natürlich ohne zu wissen, dass das am Ende der entscheidende Bumerang werden würde.

Ich hätte gehofft, dass das Sozialgericht ein Urteil sprechen würde, das die DRV dazu verpflichtet, die allgemeinen Bestimmungen des SGB IX mehr zu respektieren und die Wünsche und Aussagen der Betroffenen zu hören und zu achten. Darum habe ich geklagt. Mehrere Jahre lang. Weil ich auch von anderen gehört habe, dass sie von der DRV rücksichtslos und von oben herab behandelt wurden. Und bei denen ist es am Ende nicht so gut ausgegangen wie bei mir.

Ich habe auch geklagt, weil ich mehr und mehr das Gefühl gewonnen hatte, dass es der DRV mehr darum gehen würde, Menschen in irgendwelche Kurse zu stecken, als das zu tun, was für die Betroffenen am Ende gut und richtig wäre.

Außerdem habe ich irgendwann mal nachgerechnet und festgestellt, dass ich das System am Ende vier Mal so viel gekostet habe, wie wenn man meinem Antrag einfach gefolgt wäre. Und da sind die Gerichtskosten noch nicht eingerechnet.

Bei meiner Klage ging es nicht um meinen persönlichen Vorteil. Selbst, wenn ich gewonnen hätte, hätte ich wahrscheinlich überhaupt nichts Zählabares in irgendeiner Form bekommen. Und das brauche ich auch nicht.

Ich klage, weil ich nicht hinnehmen möchte, dass die DRV Menschen so unwürdig behandelt wie sie mich behandelt hat. Ich möchte nicht hinnehmen, dass Menschen in Not das einzige geraubt wird, was ihnen helfen würde: Motivation. Dass sie erniedrigt und stigmatisiert werden, anstatt, dass man ihnen hilft.

Ich will mit meiner Klage etwas verändern. Ich hätte mir gewünscht, dass das Sozialgericht das ähnlich sieht und der DRV klar sagt, dass sie sich an die allgemeinen Bestimmungen und damit den Geist des SGB IX halten muss.

Leider war all das für das Sozialgericht am Ende nicht wichtig bei der Urteilsbegründung.  

Ich für mich habe mir aber immer vorgenommen, dass ich die ganze Geschichte erzählen werde, sobald das Urteil da ist. Und das tue ich jetzt mit diesem Blog-Beitrag. In mehreren Teilen. Weil es eine echt lange, absurde und absurd nervenzehrende Auseinandersetzung war. Die immer noch nicht zu Ende ist. Weil ich in Berufung gehen werde.

Hier geht’s jetzt direkt mit Teil 1 los. Und über die folgende Übersicht könnt Ihr dann auch direkt zu den weiteren Teilen klicken:

Teil 2 – Die Widersprüche
Teil 3 – Die Maßnahme und die Klage
Teil 4 – Klage und Urteil

Teil 1: Der Antrag

Nach meinem Nervenzusammenbruch, meiner folgenden Diagnose mit Depressionen und einigen anderen psychischen Problemen, der Aufnahme einer intensiven analytischen Psychotherapie, zwei mehrmonatigen vollstationären Aufenthalten und insgesamt anderthalb Jahren Krankschreibung, war ich im Mai 2019 wieder bereit, ins Arbeitsleben einzusteigen und hatte einen konkreten Plan: ich wollte mich als Moderator, Musiker, Autor und Speaker selbständig machen.

Dieser Gedanke war erstmals im Dezember 2018 aufgekommen. Damals war ich für fünf Wochen in einer verhaltenstherapeutischen Klinik in Chemnitz und während dieser Zeit fand eine umfangreiche Konfrontation mit meinem Vater statt.

Während ich bei diesem Thema zum ersten Mal wirklich Klarheit schaffte und Stück für Stück erkannte, wie schädlich die vermeintlichen „Wahrheiten“ meines Vaters waren, desto mehr kam auch der Wunsch danach durch, beruflich das zu machen, was ich eigentlich mein ganzes Leben lang schon machen wollte: auf der Bühne stehen.

Die ersten Versuche, ein Konzept dafür zu erschaffen, mit dem ich mir diesen Traum erfüllen könnte, waren zögerlich. Mein erster Gedanke war, mir eine Promotions-Stelle an einer Universität zu suchen, eine Doktorarbeit zu schreiben und nebenbei eine Selbständigkeit aufzubauen. Je mehr ich darüber nachdachte und mit befreundeten Wissenschaftlern sprach, desto mehr wurde mir bewusst, dass ich gar nicht wirklich promovieren wollte, sondern das eher als eine Art Vehikel benutzen wollte, um neben dem „unsicheren“ auch etwas „sicheres“ zu haben. Und je mehr ich mir genau das bewusst machte, desto mehr wurde mir klar, wie sehr ich hier immer noch von meiner Angst vor Unsicherheit gesteuert wurde. Darum habe mir damals vorgenommen, dass ich das gerne mit meiner ambulanten Therapeutin bearbeiten wollte, bevor ich mich in die Selbständigkeit stürzen würde.

In der Klinik nahm ich hingegen direkt das Angebot wahr, mich sozialtherapeutisch beraten zu lassen. Im Gespräch dort erklärte ich, dass ich stark in Richtung Selbständigkeit tendieren würde, ich dazu aber noch meine Angst überwinden müsste. Ich legte auch dar, dass ich mich bereits darüber informiert hätte, dass ich einen Gründungszuschuss über die Agentur für Arbeit beantragen könnte, sobald meine Krankschreibung enden würde. Darüber könnte ich dann meine Existenz für die ersten neun Monate sichern. Mit einem solchen Gründungszuschuss bezieht man quasi Arbeitslosengeld I in diesen neun Monaten und ist komplett sozialversichert. Dieser Gründungszuschuss wird zudem von der Sächsischen Aufbaubank (SAB) als existenzsichernde Grundlage angesehen. Damit kann man dann ein staatlich gefördertes Mikrodarlehen in Höhe von 20.000 EUR aufnehmen. Das wollte ich tun. Mein Plan war, dass ich dann den Aufbau einer Marke, Webseite und erste Marketing-Maßnahmen bezahlen könnte, die mich dabei unterstützen würden, Kunden für meine Dienstleistungen zu finden.

Die sozialtherapeutische Beraterin erklärte mir daraufhin, dass ich mit meiner Vorgeschichte auch die Möglichkeit hätte, den Gründungszuschuss als „Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (LTA) über die Deutsche Rentenversicherung (DRV) zu beziehen und dass das einige Vorteile für mich hätte. Zum einen sagte sie, dass die Prüfungskriterien bei der DRV nicht so restriktiv wären, wie wenn ich das Ganze über die Agentur für Arbeit machen würde. Zum anderen meinte sie, dass einige Fristen anders gelagert seien und vorteilhaft für mich wären.

Das klang alles einleuchtend und führte letztlich dazu, dass ich meine Zustimmung dazu gab, diese „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ (LTA) aus der Klinik heraus zu beantragen. Es war ein einfaches Kreuz auf einem Formular, das die Beraterin nach unserem Gespräch ausgefüllt hatte.

Es war das Kreuz, das meine Pläne erheblich ins Wanken bringen sollte.

Denn nachdem ich meine Angst gemeinsam mit meiner Therapeutin überwunden hatte, diese mich auch noch dazu angetriggert hatte, ein Buch über meine Geschichte zu schreiben und ich das gegen einigen Widerstand auch getan und das Konzept meiner Selbständigkeit um das entstandene Buch ergänzt hatte, war ich bereit, den Gründungszuschuss zu beantragen und loszustarten.

Das Gespräch mit der Beraterin hatte ich zu diesem Zeitpunkt fast schon wieder vergessen. Darum ging ich schnurstracks zur Agentur für Arbeit, stellte mich dort vor, berichtete von meiner Situation, präsentierte mein Konzept und fragte, was ich tun müsste, um diesen Gründungszuschuss zu beantragen.

Die dortige Beraterin schaute sich das alles und hörte mir zu und sagte, dass ich enorm gut vorbereitet in diesen Termin gegangen sei und dass sie mir auf dieser Grundlage sofort den Gründungszuschuss zusagen würde. Es gäbe nur ein Problem: die Agentur für Arbeit sei nicht mehr zuständig für mich, da ich „Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben“ beantragt hätte. Daher müsste ich meinen Antrag auf Gründungszuschuss bei der Deutschen Rentenversicherung stellen. Sie könnte für mich nichts weiter tun als festzustellen, dass ich arbeitslos sei und Anspruch auf ALG1 hätte. Dann wünschte sie mir noch viel Erfolg und das war’s dann.

Also ließ ich mir schnellstmöglich einen Termin bei der Deutschen Rentenversicherung geben und wurde nur wenige Tage später persönlich dort vorstellig. Auch dort erzählte ich von meinen Plänen, legte das Konzept vor und fragte, was ich tun sollte. Und die Beraterin dort sagte: ich gebe das alles mal weiter, aber ich gehe davon aus, dass das abgelehnt werden wird.

Ich war zunächst enorm verwundert und erwiderte, dass mir doch in der Klinik noch gesagt worden war, dass das alles kein Problem sei. Dass mir dort erklärt worden war, dass die Kriterien bei der DRV deutlich leichter wären als bei der Agentur für Arbeit und dass ich ja bei Letzterer klar gesagt bekommen hatte, dass die mich gerne fördern würden. Sie drehte dann ihren Bildschirm zu mir und sagte, dass hier ein „negatives Leistungsbild“ über mich vorliegen würde. Darin würde gesagt, dass ich „Stress, Zeitdruck, Reisetätigkeit und Publikumsverkehr“ nicht aushalten würde und jegliche Beschäftigung diese Elemente nicht beinhalten dürfte.

Das hat mich damals erstmal umgehauen. Alle vier Elemente waren ja Dinge, mit denen ich schon immer gut in meinem Leben umgehen konnte. Was ich auch in der Klinik immer wieder gezeigt und erläutert hatte. Was mich in der Klinik heftig aus der Bahn geworfen hatte, war die Auseinandersetzung mit meinen Eltern. Die ganze Geschichte mit der Therapie und der Aufarbeitung hatte mich ordentlich durchgeschüttelt und es war auch vollkommen nachvollziehbar, dass ich in dieser Zeit krankgeschrieben war. Aber mir war auch vollkommen klar, dass ich mich irgendwann wieder aufrappeln würde und dann mit mindestens derselben Stärke, die ich vorher hatte, wieder ins Berufsleben zurückkommen würde. Davon abgesehen waren Reisen und Publikumsverkehr zwei Dinge, die ich unheimlich genoss. Und unter Stress und Zeitdruck arbeitete ich meistens sogar besser als ohne.

Ich fragte, was ich gegen dieses Leistungsbild tun könnte. Die Beraterin meinte, dass ich dagegen in Widerspruch gehen könnte, dass das aber meistens nichts bringen würde. Ich könnte es aber dennoch versuchen. Und das tat ich auch und schickte der DRV folgendes Schreiben: ErsterWiderspruch_Mai2019.pdf

Wenige Wochen später bekam ich dann ein Schreiben, in dem mit keiner Silbe auf meine Einlassungen eingegangen wurde. Stattdessen wurde mir erklärt, dass es unmöglich sei, mit einem solchen Leistungsbild eine Selbständigkeit als Moderator zu fördern. Und es wurde mit einem zweiten Schreiben erklärt, dass ein solches Leistungsbild quasi nicht anfechtbar sei.

Weiter wurde erklärt, dass ein Leistungsbild nicht unbedingt auf Basis individueller Faktoren erstellt werden würde, sondern dass angenommen wird, dass bestimmte Krankheiten mit bestimmten Einschränkungen verbunden seien. Im Klartext stand da für mich: wer irgendwann mal Depressionen diagnostiziert bekommen hat, der darf keinen Job mehr mit Stress, Zeitdruck, Reisetätigkeit oder Publikumsverkehr ausüben. 

Beide Schreiben habe ich hier mit abgelegt: ErsterBescheidDRV_Juni2019.pdf
(Disclaimer: In den Schreiben sind sowohl mein Name geschwärzt (da ich die Anträge noch unter meinem bürgerlichen Namen eingereicht habe) als auch die Namen der Berater*innen und sonstige Dinge, mit denen eine Identifikation in irgendeine Richtung möglich wäre)

Ich konnte das alles einfach nicht verstehen. Es konnte doch nicht sein, dass eine einmal gestellte Diagnose – noch dazu während eines Krankenhausaufenthaltes, der eine der schwersten Konfrontationen meines Lebens beinhaltete (nämlich die mit meinem Vater) – mir den Weg für mein weiteres berufliches Leben verbauen sollte. Die DRV war doch dazu da, mir zu helfen, wieder vollständig zu gesunden und ein vollwertiger Teil der Arbeitswelt zu werden. Und nicht dazu, mich für immer klein zu halten und unter dem Bild einer – hoffentlich irgendwann überwundenen – Krankheit zu betrachten.

Von nun an werde ich immer wieder relevante Original-Dokumente verlinken. Die Geschichte werde ich aber so schreiben, dass sie auch ohne das Lesen dieser Dokumente verständlich ist. Ich möchte sie nur der Vollständigkeit halber mit anbieten.

Im nächsten Beitrag erzähle ich dann davon, wie ich darauf dann wieder reagiert habe und wie die ganze Sache weiterging.

Teil 2: Die Widersprüche

Wenn Institutionen, die Menschen in Not eigentlich helfen sollten, ihre Arbeit nicht richtig machen und nicht helfen, sondern Menschen sogar behindern, dann hat man in Deutschland immer die Möglichkeit, in irgendeiner Form zu widersprechen. Schließlich sind wir ein Rechtsstaat. Ich bin jemand, der das dann auch tut. Weil mir Gerechtigkeit wichtig ist. Für mich selbst, aber auch für alle anderen, die in irgendeiner Form mit diesem System zu tun haben könnten. Darum habe ich auch gegen den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung, mit dem mir die Förderung meiner Selbständigkeit versagt wurde, Widerspruch eingelegt.

Nachdem mir die Deutsche Rentenversicherung im Juni 2019 mitgeteilt hatte, dass ich in deren Augen zu krank sei, um eine Selbständigkeit als Moderator, Musiker, Autor und Speaker aufzunehmen, verstand ich die Welt nicht mehr. Ich hatte mehrere Monate mit meiner Psychotherapeutin daran gearbeitet, dass ich die nötige Stabilität für genau diese Tätigkeit haben würde. Ich war zum ersten Mal in meinem Leben dabei, wirklich meinen Wünschen nachzugehen und einen Beruf zu ergreifen, in dem ich einerseits wirklich gut war und der mir andererseits auch noch so viel Spaß machte, dass Arbeit für mich nichts Unangenehmes sein würde, sondern etwas, von dem ich schon aus mir selbst heraus viel Freude daran haben würde. Und jetzt erzählte mir irgendjemand, den ich noch nie gesehen hatte, dass ich dazu nicht in der Lage sei.

Ich erkundigte mich bei meiner Reha-Beraterin, was ich dagegen unternehmen könnte. Sie erklärte mir, dass ich gegen den Bescheid offiziell Widerspruch einlegen könnte. Und das tat ich auch. Und erklärte der DRV, dass die Selbständigkeit gut vorbereitet war, dass ich bereits in meinem letzten Klinikaufenthalt darüber gesprochen hatte, dass mir die Beraterin dort gesagt hätte, dass ich den Gründungszuschuss über die DRV sehr viel leichter bekommen würde als über die Agentur für Arbeit (die mir ja gesagt hatten, dass sie mir den auf jeden Fall gegeben hätten). Mich wunderte es schon ziemlich, dass die Pläne für meine Selbständigkeit für die DRV neu waren, nachdem ich das ja ausführlich in der Klink besprochen hatte. Das merkte ich in meinem Schreiben auch an. Und ich erklärte mich bereit, jederzeit zu einem persönlichen Gespräch zur Verfügung zu stehen, in dem man meine Eignung noch einmal prüfen könnte. Schließlich fanden ja all diese Beurteilungen statt, ohne, dass mich jemand von der DRV mal direkt angeschaut hätte. Das fand ich schon sehr fragwürdig.

Darüber hinaus bot ich der DRV an, dass man auch gerne direkt in Kontakt mit meinem Hausarzt, meiner Psychotherapeutin oder meinem Psychiater gehen könnte. Die könnten mich ja schließlich sehr viel besser einschätzen. Und die könnten vor allen Dingen eine aktuelle Einschätzung über mich abgeben. Denn die Einschätzungen der DRV basierten ja offenbar vor allen Dingen auf meiner Zeit in der Klinik. Und diese Zeit war einfach sehr konfliktbehaftet gewesen. Sie war aber eben auch im Dezember 2018 vorbei gewesen. Und im Mai 2019 – als ich die Selbständigkeit beantragt hatte – ging es mir schon wesentlich besser. Was ja auch der Sinn und Zweck von solchen Behandlungen ist. Oder zumindest sein sollte.

Meinen Widerspruch sendete ich dann Ende Juli ab: Widerspruch_Leistungsbild_160719.pdf

Parallel machte ich mich aber auch noch kundig darüber, wie ich mich rechtlich vertreten lassen könnte. Ich recherchierte nach Anwälten für Sozialrecht, führte ein erstes Gespräch und wurde von eben diesem Anwalt dann auf den VdK hingewiesen. Er meinte, dass das in meinem Fall wesentlich besser passen würde als wie wenn ich mich durch ihn vertreten lassen würde.

Der VdK ist ein Sozialverband, der Menschen dabei unterstützt, rechtlich gegen ungerechte Behandlung durch soziale Träger vorzugehen.  Dafür arbeiten beim VdK auf Sozialrecht spezialisierte Anwälte. Als Betroffener bezahlt man einen pauschalen Betrag und bekommt dafür dann durchgängig anwaltliche Beratung. Das ist natürlich deutlich günstiger als einen Anwalt auf Stundenbasis bezahlen zu müssen. Also schilderte ich meinen Fall dort, wurde Mitglied und ließ mich vom VdK vertreten.

Die formulierten dann auch direkt nochmal ein formaljuristisches Schreiben, das sie an die Deutsche Rentenversicherung schickten. Inhaltlich fassten sie dabei nochmal alles zusammen, was ich ja auch schon geschrieben hatte. Aber sie machten das natürlich nochmal auf einer juristischen Ebene, die ich als Laie so natürlich nicht drauf habe. Und sie stellten auch fest, dass die DRV ihnen offenbar ein Recht auf Akteneinsicht verwehrt hatte. Diese Rentenversicherung kam mir immer dubioser vor: Schreiben_VdK_Oktober2019.pdf

Während all diese Dinge liefen, war ich übrigens offiziell arbeitslos. Das wollte ich ja aber nicht sein. Ich wollte ja an meiner Selbständigkeit arbeiten. Das erklärte ich auch bei meinem nächsten Gesprächstermin im Arbeitsamt. Die erklärten mir dann, dass sie es durchaus für sinnvoll halten würden, wenn ich an der Selbständigkeit arbeiten würde, dass ich aber aufpassen müssen, dass ich nicht länger als 15 Stunden pro Woche daran arbeite. Denn dann würde ich meinen Anspruch auf Arbeitslosengeld verlieren und das war ja das, was mich aktuell am Leben hielt. Denn Aufträge gab es zu der Zeit natürlich noch nicht.

Ich fragte bei diesem Termin auch nach einer Künstlervermittlung, die die Agentur für Arbeit offenbar anbieten würde. Darauf wurde mir erklärt, dass ich darauf zugreifen könnte, wenn ich den Gründungszuschuss bekäme. Aber als Arbeitsloser eben nicht. Mist.

Parallel dazu erkundigte ich mich, ob es irgendwelche Förderungen für Selbständige geben würde und fand die Existenzgründungsberatung der SAB. Und sogar ein Unternehmen, das in diesem Rahmen Menschen beraten würde, die sich in kreativen Berufen selbständig machen. Ich beantragte die Förderung, kontaktierte die Beraterin und nahm an einem Existenzgründungskurs teil, in dem mein Geschäftskonzept nochmal deutlich geschärft wurde.

Darüber wurde ich auch auf den Mikrokredit der SAB aufmerksam. Dort konnte man sich 20.000 EUR zu vergünstigten Konditionen leihen. Mit der Existenzgründungsberaterin machte ich einen Plan, was ich alles an Marketing brauchen würde, um meine Dienstleistungen bekannt zu machen und wie ich diesen Kredit dafür einsetzen würde. Dann ging ich zur SAB. Und die sagten mir, dass man den Kredit nur bekommen würde, wenn man eine existenzsichernde Grundlage vorweisen könnte. Da ich aber ja keinen Existenzgründungszuschuss bekommen würde, wäre das bei mir ja nicht der Fall. Und Arbeitslosengeld würde da nicht zählen. Auch Mist.

Also bereitete ich weiter meine Selbständigkeit vor und hoffte, dass die Rentenversicherung ein Einsehen haben würde und meinen Widerspruch positiv bescheiden würde. Taten sie aber nicht. Im Februar bekam ich dann ein Schreiben, in dem mein Widerspruch offiziell abgelehnt wurde.

Die Rentenversicherung war der Meinung, dass meine Selbständigkeit nicht erfolgversprechend sei und dass eine Wiedereingliederung in das Berufsleben aus ärztlicher Sicht nicht gewährleistet wäre. Obwohl ich ja all das ausführlich verargumentiert hatte und Briefe meiner Ärzte und Therapeuten beigefügt hatte. Ich verstand das alles nicht. Ablehnung_Widerspruch_DRV2020.pdf

Ich sprach also wieder mit dem VdK und fragte, was ich nun tun könnte und die sagten mir, dass ich gegen diesen Widerspruch nun Klage einreichen könnte. Das könnte aber Jahre dauern, bis das entschieden werden würde. Zeit, die ich nicht hatte. Denn im April 2020 würde mein Anspruch auf Arbeitslosengeld auslaufen. Dann müsste ich entweder von meiner Selbständigkeit leben können oder ich würde in ALG2 rutschen.

Parallel dazu brach die Corona-Pandemie über uns herein und stellte meine Selbständigkeit als Moderator, Musiker, Autor und Speaker vor ganz andere Herausforderungen. Ich bekam es richtiggehend mit Angst zu tun. Denn die Selbständigkeit lief ja noch nicht. Ich hatte bis hierhin alles auf Halbgas laufen lassen, weil ich ja nichts an Unterstützung in Anspruch nehmen durfte: keinen Gründungszuschuss, keine Künstlervermittlung, keinen Mikrokredit, kein Marketing. Und entsprechend auch: keine Aufträge in 2019. Dadurch kam ich auch nicht für irgendwelche Corona-Hilfen in Frage. Ich hatte jetzt zwei Optionen: mich aus der Arbeitslosigkeit einfach abzumelden und ins kalte Wasser zu springen. Angesichts der Corona-Pandemie aber keine sonderlich vielversprechende Option. Oder in der Arbeitslosigkeit bleiben und in ALG2 rutschen.

Was aus vielen Gesichtspunkten keine gute Option war. Vor allen Dingen aber deswegen, weil mein Vater mir 2014 drei Eigentumswohnungen aus dem Familienvermögen verkauft hatte, die ich über einen Kredit bei der Bank und einem Privatkredit bei ihm gegenfinanziert hatte. Würde ich jetzt in ALG2 rutschen, würde ich diese Wohnungen zwangsverkaufen müssen. Da das vor der 10-Jahres-Haltefrist geschehen würde, würde Einkommensteuer darauf fällig werden. Was bedeuten würde, dass die Kreditrückzahlung höher wäre als der Ertrag mit dem Verkauf. Ich würde damit sehr wahrscheinlich auf einen Schlag in die Privatinsolvenz getrieben werden.  

Der VdK sagte mir aber auch, dass ich das Recht hätte, die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben einzufordern und dass mir dann die Rentenversicherung sagen müsste, was in ihren Augen eine leidensgerechte Option wäre, um mich wieder ins Arbeitsleben einzugliedern.

Tatsächlich wusste ich damals einfach nicht, was ich jetzt tun sollte. Ich glaube zwar weiter an die Selbständigkeit. Aber vor dem Gesichtspunkt der Corona-Pandemie wirkte das wackliger als jemals zuvor. Vielleicht hätte die DRV ja tatsächlich eine Idee, was ich beruflich machen könnte. Vielleicht würde da ja eine Inspiration kommen, die mich auf einen neuen Weg bringen würde.

Also ging ich wieder zu meiner Reha-Beraterin und fragte sie, was die DRV für mich vorsehen würde.

Dort wurde mir vorgeschlagen, eine Integrationsmaßnahme am MIQR Dresden zu beginnen. Dort würde man meine beruflichen Fähigkeiten erfassen, mich weiterbilden und mit mir gemeinsam dann passende Job-Angebote erarbeiten.

Die Reha-Beraterin sagte mir in diesem Gespräch aber auch, dass die DRV Arztbriefe nur dann berücksichtigen würde, wenn die von der DRV angefordert würden und dass es daher sinnlos sei, denen irgendwelche Schreiben und Briefe zukommen zu lassen.

Das alles brachte mich dann auf die Idee, den Antrag auf den Gründungszuschuss zurückzuziehen und einen neuen Antrag einzureichen, dem ich dann die Arztbriefe, das Geschäftskonzept und ein persönliches Schreiben anhängen könnte. Dann müsste die DRV diese Dokumente berücksichtigen und in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen.

Ich erinnerte mich damals auch an das Gespräch mit der sozialmedizinischen Beraterin in der Klinik, mit dem das Ganze ja begonnen hatte. Die hatte mir gesagt, dass der Gründungszuschuss bei der DRV bis zum letzten Anspruchstag im ALG1 beantragt werden könnte. Das war der entscheidende Unterschied zur Beantragung des Gründungszuschuss bei der Agentur für Arbeit. Dort musste man mindestens sechs Monate Restanspruch haben. Das war also ein Strohhalm, an den ich mich klammern konnte. Wenn der Gründungszuschuss einen Tag vor Ablauf des ALG1 bewilligt werden würde, dann könnte ich doch noch direkt loslegen. Und wenn nicht, dann würde ich eben die Maßnahme am MIQR machen.

Das war allen Dingen deswegen sinnvoll, weil mir diese Maßnahme zumindest Zeit verschaffen würde. Ich würde über 12 Monate Übergangsgeld bekommen. In derselben Höhe wie ich vorher Arbeitslosengeld 1 bekommen hatte. Ich könnte während der Weiterbildung weiter an meiner Selbständigkeit arbeiten. Und dann im Verlauf schauen, was am Ende besser passen würde: eine Anstellung, die aus dieser Maßnahme erwächst oder eben die Selbständigkeit. Parallel dazu könnte ich Klage erheben und dann vielleicht doch noch die Zusage für den Gründungszuschuss bekommen und da durchstarten können.

Ich sagte also der Maßnahme erstmal zu, zog meinen Antrag zurück und stellte einen neuen Antrag. Mit einem neuen Schreiben, in dem ich ausführlich darlegte, wieso ich die Selbständigkeit weiter für sinnvoll hielt: Anschreiben_DRV.pdf ,  PersönlicheEinlassung_DRV_120320.pdf , Arztbrief_Psychiater.pdf , Arztbrief_Therapeutin.pdf

Wenn ich heute darauf zurückschaue, komme ich mir manchmal vor wie ein Sozialschmarotzer, der das System aufs Allerletzte ausgereizt hat. Ich muss mir dann aber auch immer wieder in Erinnerung rufen, wie es anders hätte laufen können: hätte ich den Gründungszuschuss wie geplant im Mai 2019 bekommen, hätte ich sechs Monate auf Volldampf arbeiten können, erste Aufträge an Land ziehen und dann im schlimmsten Fall in 2020 auf Corona-Hilfen zurückgreifen können. Zumindest aber hätte ich schon ein Netzwerk an Kunden gehabt, mit dem ich vielleicht schon irgendwie hätte arbeiten können. Das Leben findet aber nicht in Konjunktiven statt.

Es findet in Tatsachen statt. Und zwar in der Tatsache, dass die DRV auch diesen Antrag ablehnte: Ablehnungsbescheid_DRV_Mai2020.pdf

Gegen diesen Bescheid legte ich dann gemeinsam mit dem VdK wieder einen Widerspruch ein. Und begann gleichzeitig mit der Maßnahme im MIQR.  

Was da dann passiert ist – darum geht’s dann in Teil 3 dieser Geschichte.

Teil 3: Die Maßnahme und die Klage

Deutschland ist ein Rechtsstaat. Das bedeutet in der Konsequenz, dass man alle Entscheidungen, die getroffen werden, rechtlich prüfen kann. Das betrifft sowohl das, was der Staat mit einem macht, wenn’s um Gesetze und Gesetzesverstöße geht (Strafrecht) als auch das, was zwischenmenschliche Konflikte oder Uneinigkeiten zwischen Unternehmen angeht (Zivilrecht). Und natürlich kann man auch rechtlich prüfen oder gar klagen, wenn es um soziale Leistungen geht, die einem die Gesellschaft anbietet und die von Institutionen ausgeübt werden. In meinem Fall hat sich unsere Gesellschaft das SGB IX gegeben, um Menschen, die schweres Leid erlitten haben, wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Damit beauftragt, die in diesem SGB IX beschriebenen Aufgaben wahrzunehmen, ist zum großen Teil die Deutsche Rentenversicherung. Die aber hält sich überhaupt nicht an das, was in den Eingangsbestimmungen des Gesetzes festgehalten ist. Das wurde in den ersten beiden Kapiteln dieser Blog-Beitrags-Reihe hoffentlich deutlich. Und wenn man der Meinung ist, dass das so nicht geht, dann kann man dagegen klagen. Und darum geht es jetzt in diesem Teil.

***

Im Jahr 2020 wollte ich also die Deutsche Rentenversicherung verklagen. Was ich dann im Laufe der Klage von der Deutsche Rentenversicherung zu Menschen mit psychischen Erkrankungen lesen musste, wie sie von dort lebenslang stigmatisiert und klein gehalten werden, hat mich erst sprachlos und dann wütend gemacht. Was am Ende auch der Grund war, dass ich mich in meiner Klage bestärkt fühlte.

Um Klage erheben zu können, braucht es zunächst einen abgelehnten Antrag, dann einen Widerspruch dagegen, der ebenfalls abgelehnt werden muss und dann kann man Klage erheben. Den Widerspruch hatte ich ja im Mai 2020 bekommen. Darauf schrieb ich einfach ein kurzes Widerspruchsschreiben mit der Bitte, das schnell zu bearbeiten, damit ich dann zügig Klage erheben konnte. Denn für mich kam es ja ein Stück weit auf Zeit an. Vor allen Dingen, weil ich ja schon mal durch diesen ganzen Prozess durch war. Den ersten Antrag gab es ja im Mai 2019, dann Widerspruch, Ablehnung und Klageerhebung bis März 2020. Dann aber fiel mir ja im März 2020 ja auf, dass die DRV die ganzen Dokumente, die ich ihr geschickt hatte, nur dann berücksichtigt, wenn sie zum Erstantrag gehören. Darum wurden die ärztlichen und therapeutischen Stellungnahmen auch einfach ignoriert. Und darum zog ich Klage und Antrag ja im März 2020 zurück und reichte einen neuen Antrag mit Arztbriefen und Geschäftskonzept ein. Wie das genau ablief, steht auch ausführlich in Teil 2.

Ich begann im Mai 2020 zudem mit der Integrations-Maßnahme, die die DRV für mich vorgesehen hatte, um mich wieder ins Arbeitsleben einzugliedern. An einem Institut in Dresden sollte ich verschiedene Schulungen mitmachen und von Fachkräften interviewt werden, um passende Berufsfelder für mich zu finden. Auf die Interviews und die Findung dieser Berufsfelder war ich unheimlich neugierig. Ich hatte mein Studium erstklassig abgeschlossen, hielt mich auch für jemanden, der einige Kompetenzen mitbringt, aber ich hatte schon nach meinem Studium keine Ahnung, wie und wo ich das in den Arbeitsmarkt einbringen könnte. Die Selbständigkeit als Moderator wirkte für mich wie etwas, das super passte. Aber ich war durchaus neugierig, ob man an diesem Institut nicht etwas für mich finden würde, das ebenso gut oder vielleicht sogar besser passen würde.

Dazu gab es dann auch noch Schulungen. Buchführung, Rechnungswesen, Büromanagement. Da war mir von Beginn an klar, dass das wenig erhellend sein würde. Ich hatte einen Master in BWL. Da würde sehr wahrscheinlich nicht viel Neues für mich dabei sein. Entsprechend war es fast ein Glück, dass das alles während der ersten heißen Phase von Corona stattfand und daher nicht in Präsenz. Die Schulungseinheiten fanden alle über Zoom statt. Ich konnte das also einfach nebenbei laufen lassen, mich mit etwas anderem beschäftigen und ab und an mal eine Frage beantworten.

Dieser Zustand sollte aber nicht lange anhalten: schon im Juli drängte die Leitung des Instituts darauf, Menschen wieder in Präsenz zusammen zu bringen und zu beschulen. Zu dieser Zeit gab es noch keinen Impfstoff und es war generell wenig über das Corona-Virus bekannt. Was man damals wusste, war, dass Menschen, die sich infizierten, in manchen Fällen eine schwere Lungenschädigung davon tragen konnten. Falls mir das passieren würde, könnte das eine erhebliche lebenslange Einschränkung meiner Stimme bedeuten. Und meine Stimme war mein Kapital: als Moderator, als Sänger, als Vortragsredner. Ich hatte unheimliche Angst, dass ich mir hier einen langfristigen und irreparablen Schaden zuziehen konnte. Nur, um an einer Schulung teilzunehmen, die mir rein gar nichts brachte.

Zu allem Übel wurden bei den Schulungsmaßnahmen auch keine Hygienemaßnahmen eingehalten. Die Fenster mussten geschlossen werden, weil es den Leuten kalt wurde. Ein Mindestabstand von 1,5m wurde so gut wie nie eingehalten, Masken trug auch keiner. Gab es damals noch nicht.

Ich versuchte, der Institutsleitung zu verdeutlichen, dass ich enorme Angst vor einer Infektion mit Covid hatte. Das fiel nicht auf fruchtbaren Boden. Ich wurde gezwungen, an den Veranstaltungen in Präsenz teilzunehmen. Das führte dann dazu, dass ich eine Angstattacke erlebte. Dass mich jemand vollkommen nutzlos einer solch gravierenden Infektion aussetzte und ich nichts dagegen tun konnte, triggerte mich auf einem Level, das ich vorher noch nicht erlebt hatte. Nach fünf Minuten im Unterrichtsraum stürmte ich raus und sagte, dass ich mir das unter gar keinen Umständen antun werde. Ich wurde zu meinem Hausarzt geschickt und der stellte mir ein Attest darüber aus, dass ich von der zwangsweisen Teilnahme an solchen Präsenz-Schulungen freigestellt wäre. Damit durfte ich dann wieder aufs Homeschooling ausweichen, was mir aus genannten Gründen ohnehin sehr viel lieber war. Dass man meine (berechtigten) Ängste aber so wenig ernst nahm und das unter der Vorgabe, ja nur das Beste für mich zu wollen, machte mich aber wirklich kirre.

Da wurde auf der einen Seite gesagt, dass ich auf keinen Fall Publikumsverkehr, Reisetätigkeit, Stress und Zeitdruck aushalten dürfte – alles Dinge, die ich gerne mochte und die ich gerne auf mich nahm. Und auf der anderen Seite sagte ich, dass ich enorme Angst vor einer Infektion mit Covid hätte, deren Risiko man mich ohne irgendeinen Nutzen zwangsweise aussetzen wollte. Das passte doch nicht zusammen.

Auch hier bin ich aber froh, dass ich zu mir stehen und mein Recht am Ende durchsetzen konnte. Es ist doch nicht auszudenken, dass ich mir da vielleicht Long Covid hätte holen können und meine Karriere als Moderator und Sänger damit vorbei gewesen wäre, bevor sie überhaupt eine Chance hatte, zu starten.

Leider waren auch die anderen Maßnahmen an diesem Institut wenig zielführend. Man machte Tests mit mir, führte Gespräche mit mir und schlug mir dann Stellenprofile vor, die mich nicht nur einmal zum Stirnrunzeln brachten. Da wurde mir angeraten, in einer Marketing-Agentur anzufangen – die Branche, aus der ich gerade zweimal gefeuert worden war. Mir wurden Führungstätigkeiten im Vertrieb vorgeschlagen – also der Job, den ich gerade gemacht hatte und den ich laut Rentenversicherung nie mehr ausüben dürfte. Und ja auch überhaupt nicht wollte. Es waren lauter Vorschläge, die den einschränkenden Kriterien der Rentenversicherung noch mehr widersprachen als meine Selbständigkeit. Als ich das anmerkte, wurde ich aufgefordert, selbst mit Vorschlägen zu kommen. Das tat ich und schlug vor, dass ich ja als Produkt-Trainer arbeiten könnte. Ginge nicht, das wäre ja Publikumsverkehr. Ich könnte ja auch als Dozent arbeiten, hatte ich ja auch schon gemacht. Ginge auch nicht. Irgendwann schlugen sie dann vor, dass ich ja Fahrrad-Monteur werden könnte. Und da wurde es mir dann zu dumm. Ich fragte, ob das wirklich ein passender Einsatz meiner Fähigkeiten und Kompetenzen wäre. Und bekam entgegnet, dass es ja auch schwer sei, etwas für mich zu finden. Dem stimmte ich zu. Und sagte, dass ich darum ja die Selbständigkeit als Moderator, Musiker und Redner anstreben würde.

Die verfolgte ich übrigens nebenbei weiter. Und bekam meinen ersten Auftrag im Juni 2020 als Moderator eines IT-Webinars, das ich von meiner Küche aus durchführen könnte. Diesem Auftrag folgen weitere Beauftragungen, die alle zum vollen Tagessatz abgerechnet werden konnten. Während also die Bemühungen des Instituts darin mündeten, mir zu beweisen, wie schwer vermittelbar ich doch sei, funktionierte auf der anderen Seite genau das, was ich immer vor hatte. Und so wurde meine anfängliche Motivation und Neugier auf diese Maßnahme im Verlauf der Zeit immer kleiner. Denn das, was ich tun wollte, trug Früchte. Die Maßnahme nicht.

Ich versuchte trotzdem, weiter motiviert mitzuarbeiten. In der Zeit im Institut schrieb ich mit den Mitarbeitern des Instituts gemeinsam über 30 Bewerbungen – die alle abgelehnt wurden. Ich versuchte, allen Vorschlägen zu folgen. Nur zum Fahrrad-Monteur ließ ich mich letztlich nicht ausbilden. Denn als das vorgeschlagen wurde – im März 2021 – war meine Selbständigkeit so gut am Laufen, dass ich schon so viel verdient hatte, dass ich für das komplette Jahr ausgesorgt hatte.

Ich konzentrierte mich also darauf, die Selbständigkeit weiter voranzutreiben und die Maßnahme irgendwie vernünftig abzuschließen. Und ich erhob Klage vor dem Sozialgericht gegen die Entscheidung der Rentenversicherung. Denn spätestens jetzt hatte ich ja bewiesen, wie unsinnig diese Entscheidung gewesen war. Hätte man mich gefördert, hätte ich von Anfang an meine Pläne umsetzen können, wäre ich auch von Anfang an erfolgreich gewesen. So hatte es nun zwar länger gedauert, aber es hatte ja geklappt. Nur, dass ich das System in dieser Zeit nun eben deutlich mehr gekostet hatte. Denn der Staat zahlte mir in dieser Zeit ja Übergangsgeld, bezahlte diese Maßnahme, bezahlte die Verwaltung all dieser Dinge und das war doch auch nicht das, was der Staat wollen könnte.

Mir ging es jetzt nicht mehr darum, gefördert zu werden. Mir ging es darum, auf diesen Missstand aufmerksam zu machen. Darauf aufmerksam zu machen, wie sehr die Rentenversicherung mich unterjocht hatte und mich zu einem Leben zwingen wollte, das ich so nie führen wollte. Hätte ich die Selbständigkeit nicht gehabt, dann wäre das Ende der Maßnahme gewesen, dass man mich nicht erfolgreich hätte vermitteln können und ich wäre ohne einen Job aus dieser Maßnahme heraus in Arbeitslosengeld 2 abgerutscht. Meine wirtschaftliche Existenz wäre vernichtet gewesen, weil ich dann meine Eigentumswohnungen unter Marktpreis hätte verkaufen müssen und die Kredite mich gekillt hätten. Was das psychisch mit mir gemacht hätte, möchte ich mir nicht ausmalen.  

Die rechtliche Beratung des VdK sagte mir, dass mit einer Entscheidung über meine Klage erst in ein paar Jahren zu rechnen wäre. Zu diesem Zeitpunkt war mir das aber egal. Meine Selbständigkeit lief. Die Klage könnte jetzt nebenher laufen. Und das tat sie dann über die nächsten Jahre auch.

Im August 2021 äußerte sich die Rentenversicherung dann zur Klage. Und brachte ein Argument, bei dem mir die Kinnlade auf die Tastatur fiel. Im Schreiben hieß es unter anderem, dass mein negatives Leistungsbild nicht mit dem Profil der Tätigkeit eines Moderators, Musikers, Autors und Redners vereinbar sei, „insbesondere auch hinsichtlich der zusätzlich bestehenden primär narzisstischen Persönlichkeitsstörung, da diese immer auch mit einem sozialen Kompetenzdefizit vergesellschaftet ist, so dass die geforderten Soft-Skills in dieser Tätigkeit von dem Kläger nicht oder nur unzureichend erfüllt werden können“.

Im Klartext heißt das, dass jemand mit meinem Krankheitsbild in den Augen der Rentenversicherung ein lebenslanges „Kompetenzdefizit“ bei Soft-Skills mitbringen würde. Und das schien für die wohl lebenslang zu gelten. Mir würden in deren Augen für immer die Soft Skills fehlen, um selbständig arbeiten zu können.

Nicht nur, dass ich das durch meinen Erfolg eindeutig widerlegt hatte. Nein. Ich konnte und kann nicht akzeptieren, dass ein Mensch, der sich seiner Lebensgeschichte gestellt hat, seine schwerwiegenden Traumata erfolgreich aufgearbeitet hat und den Weg ins Leben zurück gefunden hat, dergestalt stigmatisiert wird. Das ist genau das Gegenteil dessen, was wir bei psychischen Erkrankungen brauchen. Wir brauchen Hoffnung. Bestärkung. Aktivierung. Aber nicht eine Rentenversicherung, die einem sagt, dass man von jetzt an ein lebenslanges Kompetenzdefizit haben wird und daran auch nichts ändern kann. In meinen Augen ist die Rentenversicherung dazu da, Menschen zu helfen, wieder ins Leben zu finden. Und nicht, ihnen immer wieder eine drauf zu geben. Vor allen Dingen nicht so einen Hammer.

Im selben Schreiben wurde auch darauf abgestellt, dass ich mich während der Maßnahme aufgrund meiner Covid-Angst vom Unterricht freistellen ließ. Und es wurde versucht, das so auszulegen, als würde das mein negatives Leistungsbild nur bestärken und die Entscheidung der Rentenversicherung rechtfertigen. Ich hätte mir das alles nicht ausdenken können. Aber ich habe es ja zum Glück schriftlich vor mir liegen.

Dieses Schreiben aber bestärkte mich darin, parallel zu meiner erfolgreichen Selbständigkeit, die Klage zu Ende zu führen. Denn das konnte ich so nicht stehen lassen. Das ging einfach nicht.

Das ganze Schreiben habe ich hier abgelegt: Einlassung_DRV_August2021.pdf

Auf diese Einlassung formulierte ich gemeinsam mit der Anwältin des VdK eine engagierte Widerrede, in der ich unter anderem auch argumentierte, dass Therapien und Behandlungen ja immer das Ziel haben sollte, dass sich der Zustand der Patienten verbessert. Das Ziel jeder Therapie sollte Heilung sein. Das stand auch in einem Krankenhausbericht so über mich niedergeschrieben: „ein Psychogeneseverständnis ist vorhanden und eine Veränderungsmotivation gegeben“. Nur bei der Rentenversicherung schien es dieses Psychogeneseverständnis nicht zu geben. Da schien zu gelten „einmal krank, immer krank“. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Das komplette Schreiben dazu, das auch ausführliche Einlassungen zur Maßnahme am Institut enthält, habe ich hier abgelegt: Antwort_VdK_Okt2021.pdf

Parallel dazu fand ich auch heraus, dass es beim Sozialministerium eine Stelle gab, an die man sich in Fällen wie meinem wenden könnte. Ich schrieb meine Geschichte für diese Beschwerdestelle nochmal ausführlich auf und schickte sie ab: Schreiben_Sozialministerium.pdf

Ein paar Monate später bekam ich eine Antwort, die genauso nichtssagend und demotivierend war wie das, was mir die Rentenversicherung immer wieder geschickt hatte: Antwort_Sozialministerium.pdf

Es ist ja eine Sache, wenn die Rentenversicherung Menschen dergestalt von oben herab behandelt. Wenn es dann aber auch noch eine Beschwerdestelle gibt, die dann nichts anderes tut, als einfach die Seite der Rentenversicherung zu ergreifen und Menschen nicht unterstützt, sondern einfach im Regen stehen lässt, dann fragt man sich, wozu es die eigentlich gibt und wofür die Menschen bezahlt werden, die da arbeiten.

Das finde ich vor allem vor dem Hintergrund schockierend, dass es ja auch genug Menschen gibt, die nicht das Durchhaltevermögen (und das Glück) haben, das ich hatte. Die sich von so etwas kaputt machen lassen und am Ende an so etwas zugrunde gehen. Für genau diese Menschen wollte ich den Rechtsstreit führen. Damit die Gesellschaft aus meiner Geschichte lernen kann.

Was dabei dann herausgekommen ist, darum geht es dann im vorerst letzten und vierten Teil dieser Geschichte.

Teil 4: Klage und Urteil

Kurz vor dem Jahresende 2024 habe ich per Post ein Urteil zu meinem jahrelangen Prozess gegen die Deutsche Rentenversicherung vor dem Sozialgericht Dresden bekommen. Das Sozialgericht hat gegen mich entschieden. Die Urteilsbegründung aber war so frustrierend und schmerzhaft, dass sie in diesen ganzen absurden Prozess passt. Denn letztlich hat sich das Gericht nullkommanull dafür interessiert, ob die Rentenversicherung in meinem Fall das SGB IX berücksichtigt hat oder ob der Umgang mit mir in Ordnung war. Oder ob es wirklich gesellschaftlich in Ordnung ist, wenn die Rentenversicherung Menschen, die eine Depression überwunden haben, ein lebenslanges soziales Kompetenzdefizit (und weitere Defizite) unterstellt. Nein, all das war für das Gericht nicht relevant.

Relevant war, dass mit dem Gründungszuschuss eine Tätigkeit, die man vorher nebenbei ausgeführt hat, nicht als Haupttätigkeit gefördert werden kann. So zumindest hat das Gericht das Urteil begründet. Ich finde das absurd. Schließlich sollte man doch nicht mit etwas in eine Selbständigkeit starten, was man vorher noch nie gemacht hat. Vor allen Dingen aber hat das Gericht gesagt, dass ich ja schon mit der Arbeit an der Selbständigkeit angefangen hätte, bevor ich den Antrag gestellt hätte. Und das würde nun so gar nicht gehen: Urteil_Sozialgericht_Dez2024.pdf

Und das macht das Ganze dann am Ende eben einfach komplett absurd. Denn in Teil 2 habe ich ja dargelegt, dass ich meinen ersten Antrag zurückgezogen hatte, weil ich im Verlauf gemerkt habe, dass sich die Rentenversicherung einfach weigern kann, die Schreiben meiner Ärzte und Therapeuten in die Betrachtung einfließen zu lassen. Diesen Rückzug und dann den Neuantrag habe ich damals nur gestellt, um die Rentenversicherung zu zwingen, die Einschätzungen meiner behandelnden Ärzte und Therapeuten zu berücksichtigen.

Dass das für das Gericht jetzt der entscheidende Grund war, meinen Fall abzuurteilen, finde ich einfach krass.

Wer jetzt übrigens nicht weiß, worum es geht, der findet hier Teil 1, Teil 2 und Teil 3 dieser ganzen unglaublichen Geschichte.

Ich habe meinen Fall auch deswegen so umfangreich und nachvollziehbar aufgeschrieben, weil im Verlauf dieses Prozesses so viele Unglaublichkeiten geschehen sind, dass sie irgendwo festgehalten werden müssen. Dass die Deutsche Rentenversicherung verpflichtet war, mir zu helfen, mir aber über Jahre immer wieder Steine in den Weg gelegt hat. Und mich im Verlauf sogar schriftlich stigmatisiert hat. Mir gesagt hat, dass mir als ehemals Depressivem ein Leben lang die „soft skills“ fehlen würden, um eine erfolgreiche Selbständigkeit aufzubauen.

Ich hätte mir gewünscht, dass das Sozialgericht sich diesen Fall anschaut und der Rentenversicherung sagt, dass dieses Vorgehen nicht im Sinne des SGB IX ist. Das in seinen Zweckbestimmungen auch etwas ganz anderes fordert. Nämlich, dass Menschen entsprechend ihrer Neigungen, Fähigkeiten und Kompetenzen eine selbstbestimmte Wiedereingliederung in die Gesellschaft ermöglicht werden soll. Stattdessen hat die Rentenversicherung immer wieder Dinge getan, die gegen meine Selbstbestimmung gerichtet waren. Und hat Dinge behauptet, die mein Hausarzt, meine Therapeutin, mein Psychiater und die behandelnden Ärzte in den Kliniken immer wieder widerlegt haben.

In den Jahren zwischen 2021 und dem endgültigen Urteil Ende 2024 hat das Gericht dazu auch nochmal weitere Informationen eingeholt. So wurden Mitte 2024 noch einmal meine behandelnden Ärzte und Therapeuten zu einer ausführlichen Stellungnahme aufgefordert, in der sich auch unisono berichteten, dass meiner Selbständigkeit nichts im Wege stehen würde: NachfrageGericht_Mai2024.pdf

Zwei Jahre davor gab es auch nochmal eine ausführliche Auseinandersetzung darüber, ob die angeordnete Maßnahme, über die ich in Teil 3 ausführlich berichtet habe, erfolgreich gewesen sei. Die Rentenversicherung behauptete darin vollkommen haltlos, dass ich mich den Maßnahmezielen verweigert hätte: EinlassungDRV_Nov2021.pdf

Dieses Schreiben brachte mich damals dazu, den Bericht des MIQR und den Krankenhausbericht aus Chemnitz anzufordern, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass diese Vorwürfe von deren Seite aus so vorgetragen worden wären. Und es stimmte auch nicht. Die Rentenversicherung fabulierte sich irgendwelche Dinge zusammen, die so einfach nicht in diesen Berichten standen. Das formulierte meine Anwältin beim VdK dann auch gemeinsam mit mir noch einmal in einer ausführlichen Erwiderung: EinlassungVdK_Maerz2022.pdf

Das waren immer wieder seitenlange Argumentationen, die fachlich fundiert waren. Die alle nachprüfbar waren. Darum verlinke ich diese Schreiben auch alle. Ich weiß, dass das saumäßig viel Text ist. Aber nur über diese Dokumente wird wirklich  klar, wie absurd die ganze Argumentationslinie der DRV ist.

Ich würde eigentlich davon ausgehen, dass sich ein Gericht diese Dinge nimmt, durchliest und dann prüft, ob das den Bestimmungen entspricht, die der Gesetzgeber im SGB IX verschriftlicht hat.

Letztlich aber scheint all das das Gericht nicht interessiert zu haben. Meine Ärzte und Therapeuten und ich selbst konnten argumentieren, so viel wir wollen.

Für das Gericht war all das am Ende nicht wichtig. Sondern es war wichtig, dass man mit einem Gründungszuschuss nicht etwas zur Haupttätigkeit machen darf, was man vorher schon mal gemacht hat.

Ich finde, dass solche Urteile dazu geeignet sind, den Glauben in unseren Rechtsstaat zu unterminieren. Wenn es vor Gericht nicht mehr darum geht, wirklich Recht zu bekommen, dann läuft irgendetwas falsch.

Für mich ist das Ganze gut ausgegangen. Ich bin heute gegen alle Widerstände erfolgreich selbständig und mir geht es enorm gut damit. Aber ich weiß, dass es auch Menschen gibt, die an so etwas zerbrechen. Und wenn ich nicht einiges Glück im Laufe dieser Selbständigkeit gehabt hätte und mich nur auf die Rentenversicherung und ihre seltsamen Maßnahmen verlassen hätte, dann wäre ich heute einer davon.

Darum habe ich ein – sehr emotionales – Schreiben aufgesetzt und offiziell Berufung gegen das Urteil eingelegt: Berufung_Jan2025.pdf

Damit wird dieser Fall jetzt an das Landessozialgericht überwiesen. Von denen wurde ich direkt aufgefordert, eine seitenlange Auflistung meines bisherigen Berufslebens einzureichen. Was das mit meinem Fall zu tun haben soll, weiß ich nicht. Worauf das Landessozialgericht bei seinem Urteilsspruch eingehen wird, weiß ich eben so wenig. Aber ich werde es erfahren. Wenn dann irgendwann das Urteil über die Berufung eingeht. Auf Basis der bisherigen Erfahrungen mit den Sozialgerichten also wahrscheinlich nicht vor 2028.

Ich halte Euch auf dem Laufenden. Und wende mich jetzt wieder Dingen zu, die mehr Spaß machen.