
Die Erfahrung, die ich mit der Deutschen Depressionsliga (DDL) gemacht habe, hat mich enorm enttäuscht und frustriert – und am Ende sogar ins Krankenhaus gebracht. Weil ich dort nicht gewollt wurde und man mir das aufs Brutalste gezeigt hat. Ein Gefühl, das ich gut kenne. Das ich nie mehr erleben möchte. Und das ich hier am allerwenigsten erwartet hätte.
Im August 2021 bin ich auf die Deutsche Depressionsliga aufmerksam geworden und war sofort hellauf begeistert. Der Verein nannte sich die „Stimme der Betroffenen“ und zeigte auf seiner Webseite zahlreiche Projekte, die sich mit Depressionen auseinander setzten. Nachdem die Genese meines Hilfsportals www.steine-im-rucksack.de größtenteils aus der Frustration heraus entstanden ist, dass diese grundlegenden Informationen viel zu schwer zugänglich sind dachte ich, dass ich bei diesem Verein endlich eine Chance finden würde, meinem Engagement etwas Rückenwind zu verleihen. Dort waren Musiker, Künstler, Autoren, die sich mit dem Thema Depression auseinander setzten. Und Projekte, die von der DDL unterstützt wurden. Dort würde doch sicher auch ein Platz für mich sein. Dort würde ich doch hin passen. Dort könnte ich doch eine ganze Menge Gutes bewirken. Und sicherlich würde man sich auch dort freuen, jemanden wie mich zu gewinnen. Der auf der Bühne moderieren kann, der Musik macht, der Vorträge hält, der ein Buch über seine Geschichte geschrieben und ein Hilfsportal gebaut hat. Das sah alles so passend aus.
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne. Dachte ich.
Also schrieb ich direkt eine E-Mail an die Geschäftsstelle und bekam auch recht schnell eine Antwort. Man würde mich gerne kennenlernen und passenderweise sei ja auch die Mitgliederversammlung und wenn ich gleich Mitglied werden würde, dann könnte ich ja auch direkt dort hin kommen und dann würde man über alles Weitere beraten können.
Ich tat wie mir geheißen und war wenige Tage später auf der Mitgliederversammlung der Deutschen Depressionsliga in Frankfurt. Enthusiastisch und voller Begeisterung schaute ich mir an, was dort vorgestellt wurde. Ein Projekt, bei dem eine Autorin durchs Land reiste und ihr Buch in Schulen vorstellte. Ein Projekt, in dem eine Künstlerin Bilder über ihre Depression malte und die Depressionsliga sie dabei unterstützte, diese Werke auszustellen. Die Mut-Tour, über die ich erst auf diesen Verein aufmerksam geworden war. Eine Musikerin, die hier als Botschafterin verwurzelt war. Und all das wurde von der DDL gefördert und finanziert.
Am Ende der MV stellte ich die Frage, wie denn der Prozess sei, um ein solches Projekt gemeinsam mit der DDL zu starten. Darauf erhielt ich die Antwort, dass das meist einfach in Absprache mit dem Vorstand geschehen würde. Ich entgegnete, dass es für einen Verein dieser Größe und für Projektsummen im fünf- bis sechsstelligen Bereich doch besser wäre, einen geordneten und transparenten Prozess zu haben, dass ich aber auch gerne in ein direktes Gespräch einsteigen würde.
Ich unterhielt mich nach der MV dann ein wenig mit dem damaligen Schatzmeister der DDL und wir vereinbarten, dass wir nochmal ein Online-Meeting miteinander machen würden. Das taten wir dann auch im Oktober 2021. In diesem Meeting zeigte er sich von meinen Ideen begeistert. Eine Fahrrad-Tour, bei der ich auf meine Geschichte hinweisen würde und Vorträge halten und dabei Presse-Aufmerksamkeit provozieren würde, kam offenbar genauso gut an wie der Gedanke, dass ich als Musiker oder Moderator beim Patientenkongress unterstützen könnte. Er versprach mir, sich bald bei mir zurückzumelden. Er müsse das aber im Vorstand absprechen. Und ich müsse Verständnis haben, dass das durchaus etwas dauern könne.
Das lange Warten auf eine Antwort
Danach hörte ich über mehrere Wochen dann nichts mehr. Ich fragte nach drei Wochen sehr vorsichtig nach, ob er denn sagen könnte, wann ich ungefähr mit einer Antwort rechnen könne, merkte aber auch an, dass ich ihn keinesfalls drängen oder nerven wollte. Dasselbe tat ich auch Mitte Dezember nochmal. Ende Dezember schrieb er mir dann, dass er erst Ende Januar zu einem Strategie-Meeting über neue Projekte käme. Aber auch da meldete er sich nicht bei mir. Also fragte ich Anfang März – über sechs Monate nach unserem Gespräch – nochmal an. Da teilte er mir mit, dass er gerade viel zu tun hätte und unter anderem mit dem Patientenkongress beschäftigt sei. Ich erneuerte meine Bereitschaft, beim Patientenkongress als Moderator oder Musiker oder Vortragender zu unterstützen und hörte wieder….nichts.
Ein paar Wochen später bekam ich dann eine offizielle Einladung zum Patientenkongress von einer anderen Person. Ich antwortete sofort darauf und fragte nach, ob und wie man mich und mein Angebot berücksichtigen möchte und sie teilte mir mit, dass bereits alle Plätze vergeben seien. Ich war etwas erstaunt und enttäuscht. Ich hatte ja schon im ersten Gespräch und auf der MV im Herbst 2021 signalisiert, dass ich hier großes Interesse hätte. Und jetzt wurde ich einfach ignoriert. Das tat weh.
Ich habe dann im Juni 2022 nochmal bei der Geschäftsstelle und im August 2022 nochmal beim Schatzmeister nachgehakt. Und wieder keine Antwort erhalten.
Kritik wird einfach abgebügelt
Also habe ich mir vorgenommen, das Thema bei der nächsten Mitgliederversammlung im September 2022 zur Sprache zu bringen. Das tat ich auch. Ich fragte vorher den Versammlungsleiter, an welcher Stelle ich das am Besten anbringen könnte. Mir wurde gesagt, dass das gut zu den „sonstigen Fragen“ am Ende passen würde. Als ich es dort anbrachte, beschnitt man dann aber meine Redezeit und derselbe Versammlungsleiter sagte mir, dass das eigentlich zur „Kritik am Vorstand“ gehört hätte. Da war ich dann schon etwas erstaunt.
Auch auf meinen kurzen Redebeitrag hin gab es aber einigen Aufruhr unter den Mitgliedern. Es wurde schnell klar, dass dieser Umgang mit mir so nicht von allen gut geheißen wurde. Der Vorstand bügelte das Thema dennoch relativ schnell ab und meinte, dass ich mich einfach nochmal mit meinem Angebot an die Geschäftsstelle wenden sollte und dann würde man sich darum vernünftig kümmern. Aber hier müssten wir jetzt nicht weiter drüber sprechen.
Also tat ich, wie mir geheißen. Ich fasste nochmal alles zusammen, schrieb eine lange E-Mail, bot meine Leistungen an, fragte, ob man mein Buch auf der Webseite veröffentlichen würde (so wie auch viele andere), ob man mein Hilfsportal verlinken möchte (wie auch viele andere) und ob es sonstwie Möglichkeiten der Zusammenarbeit gäbe.
Und immer wieder Weihnachten
Eine Antwort gab es dann einige Zeit später. Am 23.12. und 22.30 Uhr bekam ich eine E-Mail, in der mir mitgeteilt wurde, dass man für all das keine Verwendung bei der Depressionsliga hätte. Einen Abend vor Weihnachten. Ein Zeitpunkt, der für viele Menschen mit Depressions-Erfahrung sicher eine ganz eigene Bedeutung hat. Und meistens keine Gute. So wie auch bei mir. Abgelehnt zu werden zu einem Zeitpunkt, der mich immer wieder an die Ablehnung durch meine Familie erinnert, fand ich nicht sonderlich sensibel.
Aber damit konnte ich das Thema zunächst für mich abhaken. Die Deutsche Depressionsliga wollte nichts von mir wissen. Sie wollte nicht mit mir arbeiten. Sie wollte mich nicht fördern. Das tat weh. Aber ich musste es akzeptieren.
Ich habe daraus letztlich die Motivation gezogen, am 3. Mai 2023 den Steine im Rucksack e.V. zu gründen und damit einen Verein ins Leben zu rufen, der sich genau diesen Dingen widmen würde und möglicherweise irgendwann selbständig Förderung beantragen könnte. Ich gebe aber auch ehrlich zu, dass mich diese Erfahrung mit der DDL so sehr demotiviert hat, dass ich mich seither sehr dazu treiben muss, überhaupt noch irgendein Engagement in dieser Richtung aufzunehmen.
Wenn man mich nicht will, dann gehe ich eben
Seit dem Ende meiner Therapie habe ich als freiberuflicher Moderator und Musiker viele Menschen glücklich gemacht. Ich erziele Tagessätze, die mir ein gutes Leben ermöglichen und die auch zeigen, wie sehr mich meine Kunden wertschätzen. Das ist ein tolles Gefühl. Das Gefühl, nicht gewollt zu werden, hingegen tut weh. Es ist etwas, das ich in einem Leben nicht haben möchte. Und entsprechend habe ich mich davon auch weiter und weiter distanziert.
Dennoch wollte ich die ganze Sache nicht einfach geräuschlos zu Ende gehen lassen. Ich nahm mir vor, auf der Mitgliederversammlung 2023 eine Rede zu halten, in der ich ausführlich von diesen Erfahrungen berichten wollte. Darlegen wollte, wie sehr es einen engagierten Menschen trifft, wenn er bei der DDL auf derart verschlossene Türen trifft. Wie sehr es das Engagement zerstört, wenn man das Gefühl hat, einfach nicht gebraucht zu werden. Und wie sehr es einen verzweifeln lässt, wenn man gleichzeitig sieht, dass Dinge wie die Kampagne „22 Wochen warten“ oder der „Roadmovie Expedition Depression“ gefördert werden, die in meinen Augen Hilflosigkeit und Opfer-Rolle bestärken anstatt Hoffnung auf eine Überwindung und einen erwachsenen und selbstbestimmten Umgang mit der eigenen Situation zu machen. Zu diesem Thema habe ich mit auch nochmal einen ganz eigenen Blog-Beitrag verfasst.
Die Rede allerdings habe ich nie gehalten. Aber ich lege sie hier als PDF ab.
Und dann machte es bumm! und alles war vorbei

Ich habe diese Rede nicht gehalten, weil ich zwei Tage vor der Mitgliederversammlung auf eine Rennrad-Tour gegangen und im Krankenhaus aufgewacht bin. Ich bin aus ungeklärter Ursache gestürzt und mit einer mittelschweren Gehirnerschütterung ins Krankenhaus gebracht worden. Ich habe keine Erinnerung an irgendetwas. Ich weiß nicht, wie der Unfall passiert ist. Ich habe auch keine Erinnerung an die Tage direkt nach dem Unfall. Ich habe sie wie in Trance erlebt. Es war gruselig.
Ich habe Tests gemacht. Ein Schädel-MRT, um einen Schlaganfall auszuschließen. Einen siebentägigen Aufenthalt in einer Epilepsie-Klinik, um einen epileptischen Anfall auszuschließen. Aber nichts davon hat angeschlagen. Am Ende bleibt eine Theorie haften, die ich seinerzeit von einem befreundeten Psychologen gehört habe: es gibt wohl manchmal Fälle von Menschen, bei denen das verstärkte Gefühl, nicht gewollt zu sein, zu unbewussten suizidalen Handlungen führt – meistens in Verbindung mit Verkehrstätigkeiten. Da hätte es wohl schon häufiger Situationen gegeben, dass Menschen in solchen Situationen einfach im falschen (oder richtigen) Moment ruckartig so gelenkt hätten, dass es sie in Lebensgefahr brachte.
Das klang logisch für mich. Verifizieren kann ich es nicht. Was ich aber kann, ist, mir vorzunehmen, dass ich nie mehr in eine solche Situation kommen werde.
In dieser Zeit habe ich mit der Depressionsliga abgeschlossen. Ich habe meine Mitliedschaft gekündigt und ich habe mir vorgenommen, mich nie mehr mit Menschen aus diesem Bereich einzulassen, wenn ich nicht aktiv und explizit darum gebeten werde.
Mein Engagement bleibt. Die Narben aber auch.
Seither habe ich ein paar Vorträge gehalten und Musik gespielt. Für verschiedene Verbände und Träger. Das hat jedes Mal Spaß gemacht, es hat jedes Mal tolles Feedback vom Publikum gegeben. All das wird aber nicht mehr dazu führen, dass ich mich selbst motivieren werde, irgendwas in der Richtung zu machen. Weil die Erfahrung mit der DDL dafür einfach zu zerstörerisch und gefährlich war.
Und ich persönlich finde das unheimlich schade. Denn eine Organisation, die Betroffenen helfen will, sollte sie nicht zum Schweigen bringen.
Mir ist bei all den negativen Erfahrungen durchaus klar, dass hier auch ein Thema bei mir liegen könnte. Das habe ich in diesem Blog-Beitrag aktiv reflektiert: Wieso sind immer die anderen schuld?